Themenvorschläge für Bachelorarbeiten (Prof. Schnegg)
Ich bin interessiert, Arbeiten in den folgenden Themenfeldern zu betreuen:
- Klimawandel und Wissen darüber
- Umweltschutz und Umweltgerechtigkeit
- Emotionen
- Themen an der Schnittstellt von Philosophie und Ethnologie
- Phänomenologische Ethnologie
Darüber hinaus gibt es konkrete Themen, an deren Bearbeitung ich besonders interessiert wäre:
Thema: Demenz im globalen Süden
Frage: Wie geben Menschen außerhalb des globalen Nordens Demenz Sinn?
Beobachtung: Es wird erwartet, dass 2050 rund 153 Millionen Menschen an Demenz leiden (Lancet, January 06, 2022). Die Zunahmen sind dabei in den Ländern des globalen Südens, insbesondere in Afrika, besonders hoch. Es gibt aber meines Wissens noch recht wenige ethnographische Studien dazu, wie Menschen der Krankheit Sinn geben und wie sie damit umgehen. Das ist insbesondere deswegen ein interessantes Thema, da Demenz mit dem Verlust oder der Veränderung des Selbst einhergeht. Das Selbst wird in den momentan am meisten betroffenen westlichen Gesellschaften vornehmlich als autonom konstruiert und der Verlust dieser Autonomie als Bedrohung und zentraler Teil der Krankheit. Kann man etwas darüber sagen, wie das in Gesellschaften aussieht, in denen das Selbst anders konstruiert ist? Diese und andere Fragen stellen sich.
Typ: Recherche, Vergleich von Fällen
https://www.thelancet.com/journals/lanpub/article/PIIS2468-2667(21)00249-8/fulltext
Thema: "White Shame"
Frage: Wie kann man „white shame“ vor dem Hintergrund der ethnologischen Literatur zu Scham und Schuld verstehen?
Beobachtung: „White shame“ und „White guilt“ sind zwei zunehmend an Bedeutung gewinnende Gefühle. Die Themen Scham und Schuld sind spätestens seit den vielbeachteten (und auch kritisierten) Arbeiten von Ruth Benedict ein zentrales Thema der Ethnologie, die immer wieder auf die kulturelle Konstruiertheit und die moralische Funktion von Scham hingewiesen hat. Das Aufkommen dieser Gefühle vor dem Hintergrund dieser Literatur zu diskutieren und zu fragen, was uns das über die Gesellschaft sagen kann, könnte ein Ziel der Arbeit sein.
Typ: Recherche, Vergleich von Fällen
Benedict, R. (2005). The chrysanthemum and the sword: Patterns of Japanese culture, Houghton Mifflin Harcourt.
Thema: Langeweile
Frage: Was versteht man in verschiedenen Gesellschaften unter Langeweile/boredom, etc. und wie hat sie sich ausgebreitet?
Beobachtung: Langeweile wird oft als ein Gefühl beschrieben, das es nur in der Neuzeit geben kann, da sie mit einem bestimmten Konzept von Zeit und Fortschritt einhergeht. Die Konzepte haben sich verbreitet und es stellt sich die Frage, wie und in welcher Form es heute Langeweile überall auf der Welt gibt. Und auch, welche vergleichbaren Gefühle es sonst noch gegeben hat. An dem Thema ist auch interessant, für welche Gesellschaften Langeweile beschrieben worden ist. Meines Wissens existieren die meisten ethnographischen Beschreibungen für Afrika.
Typ: Recherche, Vergleich von Fällen
Thema: Afrikanische Perspektiven auf Zukunft und Zeit
Frage: Erlaubt es die Literatur Gemeinsamkeiten afrikanischer Perspektive auf Zeit zu erkennen?
Beobachtung: Mbiti (1969) hat vor einiger Zeit die These aufgestellt, dass viele afrikanische Gesellschaften keine abstrakte Vorstellung der Zukunft haben und dass sich das auch an der Struktur der Sprache festmachen lässt. Die These ist viel kritisiert worden und es wäre interessant da anzuknüpfen und vor dem Hintergrund rezenter Theorien von Zeit und Zukunft zu fragen, ob man Gemeinsamkeiten in den ethnographischen Beschreibungen aus dem afrikanischen Kontext ausmachen kann.
Typ: Recherche, Vergleich von Fällen
Mbiti, John 1969. African Religions & Philosophy. London: Heinemann.
Thema: Klimawandel und Ontologie
Frage: Wie ändert der Klimawandel die Vorstellungen darüber, was in der Welt existiert?
Beobachtung: In vielen Kulturen gelten Gletscher, Seen, etc. als Wesen, die beseelt sind. Mit dem Klimawandel ändern sich diese Umwelten, so verschwinden etwa Gletscher. Es stellt sich die Frage, wie Menschen der veränderten Umwelt (neuen) Sinn geben.
Typ: Recherche, Vergleich von Fällen
Literatur:
Mészáros, Csaba. 2020. "Multiplicity of Ontologies: Lakes and Humans in Siberia." Philosophy of the Social Sciences 50 (6):523-542. doi: 10.1177/0048393120917922.
Paerregaard, Karsten. 2020. "Searching for the New Human. Glacier Melt, Anthropogenic Change, and Self-Reflection in Andean Pilgrimage." HAU: Journal of Ethnographic Theory 10 (3): 844- 859. doi: 10.1086/711846.
Thema: Emotionen und Wetter
Frage: Welche Wetterphänomene werden mit welchen Emotionen verbunden?
Beobachtung: Mich würde es interessieren, besser zu verstehen, welche Emotionen mit bestimmten Wetterphänomen verbunden werden. Beispielsweise mit dem Wind: Welche Winde führen zu welchen Emotionen und wieso? Es müssen aber nicht unbedingt Winde sein, es können auch andere Wetterphänomene untersucht werden.
Typ: Recherche, Vergleich von Fällen
Thema: Atmosphären als Thema der Ethnologie
Frage: In welcher Form sind Atmosphären in der Ethnologie berücksichtigt worden?
Beobachtung: Mir scheint, dass es in der Ethnologie sehr wenige Studien zu Atmosphären gibt und es wäre interessant zu recherchieren, wo der Begriff in den klassischen Theorien (etwa im ZUsammenhang mit Relion/Ritual bei Geertz und Turner) auftaucht oder welche Studien es zu diesem Thema gibt.
Typ: Recherche, Vergleich von Fällen
Thema: Der Ort der Gefühle
Frage: Wo und wie werden in verschiedenen Kulturen Gefühle verortet?
Beobachtung: Es gibt in der gegenwärtigen Literatur zu Gefühlen die These, dass Gefühle in Europa in der Antike internalisiert wurden (Hermann Schmitz) und damit zu etwas geworden sind, was wir in der Psyche lokalisieren. Die Überlegung ist, dass Gefühle vorher eher als Wesen oder als eine Atmosphäre in der Luft angesehen wurden. Mich würde interessieren, wie das in verschiedenen Kulturen aussieht, für die es gute ethnographische Beschreibungen der Emotionen gibt.
Typ: Recherche, Vergleich von Fällen
Thema: Saudade
Frage: Was versteht man unter Saudade und wie hat sich dieses ursprünglich im portugiesischen und galicischen beschriebene Gefühl mit der Kolonialisierung (insbesondere Brasilien) in der Welt verbreitet.
Beobachtung: Das Wort steht für das nostalgische Gefühl, etwas Geliebtes verloren zu haben, und läßt sich nur schwer übersetzen. Mich würde interessieren, wie ein Gefühl mit der Kolonialisierung auf "Reise gegangen ist" und wie es heute in unterschiedlichen Weltregionen erlebt wird.
Typ: Recherche, Vergleich von Fällen
Thema: Die Trennung Körper/Materie und Geist
Beobachtung: In der Literatur (Philosophie und Ethnologie) wird seit dem 20. Jahrhundert behauptet, dass die Trennung von Körper/Materie und Geist ein Produkt der Moderne ist und dass wir das überwinden müssen, um unser in-der-Welt-Sein adäquat beschreiben und theoretisieren zu können.
Frage: Ist das wirklich so? Oder ist das nicht auch ein eurozentristisches Konstrukt einer bestimmten Zeit (Anfang und Mitte des letzten Jahrhunderts)? Welche Belege gibt es dafür, dass auch in anderen Gesellschaften Körper und Geist in ähnlicher Weise getrennt werden?
Typ: Recherche, Vergleich von Fällen